Sonntag, 22. Januar 2012

SOPA & PIPA - Das Web gewinnt!

Sie hatten etwas großes vor und scheiterten kläglich in der Masse. Wie ein Strandvoigt, der im Freibad plötzlich Gebühren kassieren will, scheiterten amerikanische Medienkonzerne an neuen Richtlinien für das Internet. Was dahinter steckt, steht in diesem Artikel.


Die gute Nachricht zuerst: SOPA und PIPA gibt es nicht mehr. Vorerst, denn es gilt immer noch die alltbekannte Aussage:

Tod ≠ Tot 

Es sind die Geldhaie aus der Medienindustrie der Staaten, die wohl glaubten, neue Regeln für die Nutzung des Internets aufstellen zu dürfen. In den vergangenen Wochen schwebte (mal wieder) das Schwert des Damokles über den Köpfen amerikanischer Internet-User. Und damit nicht nur über denen, sondern auch über allen! Es hatte gleich zwei Namen. SOPA und PIPA. Beide bezeichnen Entwürfe neuer Richtlinien für die Nutzung des Internets, insbesondere der Verwendung von urheberrechtlichen Medieninhalten, Bedingungen für Uploads und Downloads von Bildern, Videos und Musik sowie der Bestimmung zur Aufhebung der Privatsphäre und des Verbots des anonymen Surfens.


Das ist aber nur der Querschnitt der Entwürfe. Im Detail ausgearbeitet sah es auch teilweise so aus, dass man auf bestimmte Seiten gar nicht mehr gelangt wäre und auch einige Seiten abgeschaltet worden wären. Und das per Gesetz! Erst am Freitag (20.01.) wurde megaupload.com wegen massiven Urheberrechtsverstöße stillgelegt und User auf der Suche nach Download-Dateien mussten sich anderweitig umsehen. Nebeneffekt bei der Sache: Zahlreiche (millionen) sogenannter Broken-Links zum Portal und entsprechend viel Arbeit für Googles Searchbots und Kollegen.  

Doch sind SOPA & PIPA wirklich tot? 
Beide Deklarationen zielten darauf ab, das Internetverhalten der User massiv einzuschränken. Es war ein wiederholter Versuch von Medienkonzernen und Politikern (sowie deren Lobbyisten) und dieser wurde ersteinmal vom Kongress, nach starken Protesten im Internet und im Real-Life bei Demonstrationen und Kundgebungen, abgesägt. Occupy lässt Grüßen. Gott sei Dank.

Es ging natürlich bei der Idee zu SOPA und PIPA nur um eines. Um Geld. Gelinde und für nicht so internetaffine Menschen ausgedrückt: Jeder Klick auf ein Video eines Popstars bei Youtube ist eine private Vorführung ohne Gebühren. Jede selbstgebastelte Video-Slideshow eines Mitglieds mit einem Song ist eine private Vorführung ohne Gebühren. Jeder Klick auf ein Video bedeutet (dank Browserplugins) auch kostenlose Downloadmöglichkeiten für User. Wenn man dann noch auf die originalen Inhalte, die ohne Rechte dort hochgeladen werden und diese über Social-Networks verteilt und immer wieder gesehen werden, achtet, stellt man schnell fest, dass alleine der Musikindustrie Billionen Dollar jeden Monat entgehen. Es geht auch nicht allein um Youtube. Jedes Sharing über Netzwerke sollte verboten bzw. sehr stark eingeschränkt werden. Webseitenbetreiber sollten stärker in Verantwortung gezogen werden, über das, was Nutzer von Webseiten veröffentlichen. Während das bei Forenbetreibern in Deutschland schon lange so ist, gilt dies dann aber nicht nur für Foren, sondern auch für Blogs und SocialMedia-Netzwerke. Selbst Facebook wäre für die geposteten Inhalte seiner Member verantwortlich. Wer das Gesichtsbuch auch nur ansatzweise kennt, weiß auch um die vielen urheberrechtlich geschützten Inhalte, die minütlich dort gepostet werden. FB müsste für die Kontrolle soviel Personal einstellen, dass FB finanziell untragbar wäre. Kein Wunder also, dass auch Zuckerberg zu den Gegnern gehörte. Aber auch diejenigen, die mit diesen Netzwerken Geld verdienen standen neben den Usern und erklärten ihrerseits auch den Kampf gegen diese Gesetzesvorschläge. Das Internet wäre plötzlich für viele Nutzer uninteressant. Auch hier ginge es auch wieder um viel Geld. Nutzer würden auf die mobile Nutzung verzichten, Telefonanbieter keine Flatrates mehr verkaufen und Unternehmen keine Werbung mehr schalten und, und, und. Selbst Tabletcomputer wären als reines Medienkonsumprodukt fast schon unsinnig. Genug Gründe für die Verdiener am Internet, sich gegen SOPA und PIPA einzusetzen.

Im Grunde war es ein wiederholter Versuch, die Rechte der Internetnutzer einzuschränken und ein Versuch, Kontrolle über das Internet zu bekommen. Nicht der Erste und nicht der Letzte. Nur wieviele Versuche braucht es noch, bis eine andere Version von SOPA oder PIPA funktioniert? Bis nicht mehr so viele User gegen solche Pläne auf die Barrikaden gehen und in Petitionen im Web und im realen Leben gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheit kämpfen, es nicht mitbekommen oder von den vielen Unterschriftensammlungen genervt die Stimme nicht mehr erheben.
Als OpenSource-Fan bin auch ich nicht für ein gänzlich kostenloses Internet. Auch wenn ich Linuxer bin und mehr kostenlose Software benutze, muss und will ich auch für Software, Musik und Videos bezahlen. Mache ich zu einem Großteil auch. Es geht aber auch um das Prinzip der Einschränkung von staatlicher Seite, die - wenigstens im Internet - nur in ganz bestimmten Bereichen akzeptabel und tolerierbar ist.

The Big Firewall
Wir sehen am Beispiel China, wie staatlich kontrolliertes Internet funktioniert. Oder wie es nicht funktioniert oder eben auch, wie es nicht funktionieren sollte. Weitere Beispiele gefällig? Bitteschön: Ägypten und viele weitere Staaten in Afrika, Cuba und noch einige Staaten aus der ehemaligen UdSSR. Auch hier wird das Internet von staatlicher Seite weitgehend kontrolliert und die Nutzung einiger Seiten von vielen Providern auf Weisung des Staates eingeschränkt oder verhindert. Wenn nun SOPA und PIPA in den USA auch nur in Teilen durch den Kongress gekommen wären, hätte sich ein Vorbild gebildet, an dem sich wiedereinmal die ganze Welt orientiert hätte. (Und das tut diese Welt bei ziemlich vielen Dingen.)

SOPA und PIPA sind nicht tot. Sie kommen wieder. In anderen Gewändern und in anderen Zeiten. Der Versuch der Politik und damit der dahinterstehenden Unternehmen, die Kontrolle über das Internet zu erlangen oder wenigstens einen großen Teil der Nutzung steuern zu können, wird nie aufhören. Wir können sicher sein, dass es wieder einen Versuch gibt. Vielleicht schon bald. Vielleicht sogar nach der Wahl eines neuen US-Präsidenten? Vielleicht auch in anderen Ländern.

Nur eines ist sicher. Wenn sich User nicht einschränken lassen wollen, von Unternehmen und von Politik nicht, sind sie gezwungen, dagegen zu kämpfen. Ein Weg ist die Nutzung von OpenSource- und freien Produkten und Software. Ein anderer Weg ist die Wachsamkeit gegenüber politischen Aktivitäten zu dem Thema und die Publizierung dessen, wenn etwas falsch läuft und natürlich auch die Teilnahme an Aktionen gegen solche Veränderungen.

Wir alle können etwas gegen Pläne zur Einschränkung der eigenen (Bewegungs- und Meinungs-) Freiheit im Internet tun, denn werden unsere Freiheiten in der virtuellen Welt eingeschränkt, berühren diese Einschränkungen auch unser Real-Life und die Gefahr weiterer Einschränkungen im wahren Leben könnten bald Realität werden.

Na, Danke.
Also ich möchte das nicht.

In diesem Sinne, denken Sie mal darüber nach.
//O.F.